Hufeisen und Tabakpfeife, Seelenbrett und Liebesbrief
Hufeisen
Besuch des Waldfriedhofs in Vechta. Ein evangelischer Friedhof. Ob da Spuren von Humor zu finden sind? Leider lautet die Antwort: eher nicht. Nee. Nein. In Erinnerung hatte ich einige Schausteller-Beerdigungen. Da hatte es außergewöhnliche Kränze … etwas in Herzform oder als Hufeisen gegeben. Über die sich die gewöhnlichen Gemeinde-Christen schon die Mäuler zerrissen. Für mich eher ein Zeichen für Vielfalt. Die Schausteller-Familie Trollmann hat sehr viele Gräber dort. Die meisten ihrer Grabsteine, ihrer Gräber wirken eher traditionell. Mit Engeln und so.
Doch einen Grabstein mit einem Hufeisen entdecke ich. Und einer Tabakpfeife. Irgendwie muss er durch die kirchliche Grabsteinkontrolle geschlüpft sein. Denn eigentlich sind ja … nur christliche Symbole erlaubt. Ob er wohl im Himmel raucht? Ob sie im Himmel ihr Glück gefunden haben?
„Wenn Liebe und Tränen Dich könnten erwecken dann würde die kühlende Erde Dich nicht bedecken.“
Ja, da ist er ja doch – der Humor! Zauberhaft auch dieser Grabstein der Schausteller-Familie mit den wunderbaren Vornamen:
„Putzi“ und „Häpchen“ – brachten mich immer schon zum Schmunzeln. Und alle waren sie als „Zigeuner“ im KZ gewesen. Überlebende. Mit Humor und Zärtlichkeit. Mit viel Liebe.
Und noch die „Rosa“ und ihr „Goldfisch“ … hach!
„In die Fremde mußtest Du geh’n Und zu Modebel wollen wir fleh’n, Dich wiederzuseh’n. Mama, das Leben rennt dahin – und mit düsterem Sinn zieh’n wir dahin voller Schmerz. Mama, Dir allein gehört unser Herz!“
Ich komme an ein Grab, das aus dem Rahmen fällt. So vieles ist zu sehen. So viel steht herum. So viel Liebe. Nur gut 37 Jahre alt wurde der Andreas.
Neben dem Grabstein ein farbenfrohes Seelenbrett.
Mühevoll gelingt die Entzifferung: Lieben … lieben … lieben „Sag morgens mir ein gutes Wort bevor du gehst von Hause fort. Es kann so viel am Tag gescheh’n, wer weiß, ob wir uns wiederseh’n. Sag‘ lieb ein Wort zur guten Nacht, wer weiß, ob man noch früh erwacht. Das Leben ist so schnell vorbei und dann ist es nicht einerlei, was du zuletzt zu mir gesagt, was du zuletzt mich hast gefragt. Drum lass ein GUTES Wort das letzte sein, bedenk: Das letzte könnt’s für IMMER sein!“
Geliebter: Mensch Bruder Sohn Ehemann Onkel
Dich Liebende
Liebesbrief Ein riesiger Grabstein. Der große Erregung auslöste. Proteste. Menschen verstörte. Mit Gräbern in der Nachbarschaft. Mit ganz normalen Grabsteinen.
Meine liebe Edith, meine Sonne. Unsere große Liebe ist das Band das alles zusammen hält und uns sterblich macht. Du bist mein Engel auf Erden bis in die Ewigkeit ein Teil von mir wie ich von Dir. Danke für Deine aufrichtige verständnisvolle Güte und Zärtlichkeit für jede Stunde, die uns Gott geschenkt hat. Bis zu unserem Wieder- sehen wird mich Dein herzliches Lachen immer begleiten. Merci Chery und dankeschön. Dein Horst.
Dieser riesige Liebesbrief, dieser überdimensionale Grabstein zauberte mir stets ein Lächeln ins Gesicht. So viel Liebe. Und Humor.
≈ Kommentare deaktiviert für fundevogel : RESONANZ „… dass da draußen einer ist, der uns meint, uns hört und sieht, der uns den Lebensatem einhaucht und damit an den Grund unserer Existenz eine Resonanzbeziehung setzt …“ Hartmut Rosa und die theologische Relevanz des Resonanzbegriffs | NAMENSGedächtnis
Resonanz bedeutet, sich von der Welt berühren zu lassen.
Hartmut Rosa, Taizé-erfahrener Schwarzwaldphilosoph und gegenwärtig der Popularsoziologe in Deutschland, hat mit Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung sein opus magnum geschaffen. Religiös höchst musikalisch – spielt er doch noch immer die Orgel im evangelischen Gottesdienst in seinem Heimatort Grafenhausen – entfaltet er eine soziologische Begrifflichkeit, die theologisch anschlussfähig ist, nicht nur für die praktische, sondern auch für die systematische Theologie. Hier ein Auszug aus einem Rundfunkvortrag:
Was also ist Resonanz? Resonanz ist eine Form von Beziehung, in der zwei Entitäten, manchmal zwei Menschen, manchmal ein Mensch und ein Ding, sich wechselseitig beeinflussen, dass sie aufeinander reagieren und sich so verändern. Das geht allerdings nur in einem Resonanzraum. In sterilen Räumen, die Schwingungen nicht zulassen, ist das nicht möglich. […]
Resonanz bedeutet, sich von der Welt berühren zu lassen. Etwas erreicht mich, bewegt mich, verändert mich, versetzt mich in Schwingung. Ganz häufig erzählen wir ja mit genau diesen Begriffen…
Es sollte ausreichend sein, die längsten drei Flüsse der Erde anzugeben, Amazonas, Nil, Jangtsekiang, um sie als Beispiel zu benennen, was es bedeutet, ein Hauptstrom zu sein. Ein Mainstream. Keiner dieser Flüsse, noch irgendein anderes Rinnsal würde es ohne Zuflüsse zu einer weiten Laufleistung bringen, denn um zu fließen, bedarf es nicht nur einer schrägen Ebene, sondern auch Druck, ansonsten ist nichts mit fließen. Und so ist es für den kleinsten Bach in seinem Umfeld möglich, das große Wasser, das Meer zu erreichen, wenn sein Wasser nicht vorher durch Verdunstung als Regen irgendwo wieder auf die Erde trifft.
Deshalb kann man sagen, ein Mainstream, ein Hauptfluß, ein Massengeschmack, eine Leitkultur besteht aus vielen einzelnen Strömungen, Nebenflüssen, selbst die sogenannte Subkultur oder Gegenkultur, Underground ist ein Bestandteil des Mainstreams. Anders sieht es hingegen aus, wenn ein Fluß in einen Kanal umgewandelt wurde. Dort können…
Endlich komme ich dazu, eine Liste über meine wichtigsten und liebsten Bücher zum Thema Trauern zu schreiben.
Die beiden Bücher von Jorgos Canacakis„Ich begleite dich durch deine Trauer“ und „Ich sehe deine Tränen“ haben mich nach dem Tod meiner Mutter vor über zehn Jahren sehr getröstet. Der Autor schafft es durch seine mitfühlende Sprache, seine eigenen Trauererfahrungen und die kurzen Kapitel, dass sich die Leserin auf das Thema einlassen kann. Für mich auch heute noch unverzichtbare Literatur!
Verena Kast schrieb mehrere Bücher übers Trauern und vor allem die neuen Lebensmöglichkeiten. Ihre Fähigkeit, hochkomplexe psychische Erlebnisse in einfacher, gut verständlicher Sprache zu formulieren, begeistert mich heute so wie vor 20 Jahren. Ich mag „Trauern“ und „Sich einlassen und loslassen“ sehr und empfehle diese Bücher gerne weiter.
Geschichten mitten aus dem Leben; über Momente die uns prägen, Freude, Schmerz, Hoffnung und Schicksal dem wir täglich begegnen. Ein kleiner Blick ins Innere, ein Blick hinter die Tür.