Für dich soll’s rote Rosen regnen
Eine Rose oder gleich einen ganzen Strauß verschenken. Das ist der klassische Liebesbeweis. Die Rose, das Symbol der Liebe. Die Schönste der Blumen. Und doch hat sie zugleich verletzende Dornen. Wohl nirgends ist das Risiko größer, verletzt zu werden, als in der Liebe. Wenn ich mich dem anderen öffne und sie oder ihn ganz bewusst in mein Herz schauen lasse. Wenn ich ihm oder ihr auch verborgene Gefühle und Empfindungen zeige, die ich sonst niemand anvertrauen würde. Ja, so ist die Liebe.
Nur durch diese Offenheit entsteht ein gegenseitiges Verstehen. Ein Verständnis, das wirklich in die Tiefe geht. Und sofort bin zugleich auch unendlich verletzbar. Rosen haben Dornen. Lieben geht nicht ohne Risiko. Liebe wagt immer den ersten Schritt. Liebe wartet nicht, bis sie selber genügend bekommen hat. Liebe verschenkt sich. Ohne zu wissen, ob überhaupt etwas zurückkommt. Liebe gibt Vorschuss.
Vielleicht, dass ich anderen einen Gefallen erweise, mich für sie engagiere und einsetze. Und dann hinterher nicht mal ein Dankeschön! Vielleicht, dass ich anderen mit den besten Absichten helfen möchte. Doch sie wollen diese Hilfe gar nicht. Vielleicht, dass andere sogar behaupten, ich wolle mich durch meine Hilfsbereitschaft nur selbst hervortun. Das alles kann sein.
Rosen haben Dornen. Lieben geht nicht ohne Risiko. Die Bibel wagt es, von Trost und Hoffnung angesichts von Schmerzen, von Leid und Tod zu sprechen. Da tragen die Dornen Rosen. Und Tröstung und Trost ereignen sich. Im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung, lesen wir: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“ (Offb 21,4) Umfassender Trost angesichts des Leids. Für alle.
Wenn uns jemand die Tränen abwischt, dann ist das eine Geste großer, behutsamer Zärtlichkeit. Eine Mutter wischt dem Kind die Tränen ab, wenn das Schlimmste überstanden ist. Wenn das Ende des Unglücks wie ein Silberstreif am Horizont in Sicht ist. Tränen abwischen ist eigentlich ein sehr bescheidener Dienst. Ändert nichts an den grundlegenden Umständen. Tränen abwischen geschieht ganz sanft, nicht gewaltsam. Allerdings muss ich dabei stillhalten. Sie mir abwischen lassen. Sonst geht es nicht. Schreien und zappeln darf man nicht. Trotzdem schluchzen wir oft noch, während unsere Tränen getrocknet werden.
Durch unseren Schmerz müssen wir durch. Durch unsere Niederlagen, unsere Misserfolge, unser Scheitern. Durch die Folgen unseres Tuns und unseres Lassens. Durch all das, was offensichtlich unvermeidlich ist. Doch wenn wir durch den dunklen Tunnel hindurch sind, dann wird Gott wie einer sein, der uns die Tränen abwischt. Der weiß, was wir leiden. Der nicht fragen muss. Gott wird sein wie eine Mutter, die Bescheid weiß. Die die Tränen trocknet. Wie wenn Gott sagen wollte: Du brauchst jetzt nicht mehr zu weinen. Es wird alles gut. So ist die Liebe.
Manchmal pustet eine Mutter dann auch noch, um die letzten Spuren zu trocknen. So wie damals, als Adam und Eva geschaffen wurden. Und Gott sie anpustete. Wie der Auferstandene am Ostertag die Jünger anblies und sagte: „Empfangt den heiligen Lebensatem Gottes. Ich lebe und ihr sollt auch leben.“ Der Lebenswind Gottes trocknet auch unsere Tränen. So wird Gott sein. Und so ist er jetzt schon. Den Gott, der unsere Tränen abwischt, den gibt es auch jetzt schon. Zu Gott können wir immer mit unseren kaputten Knien kommen. Es kann sein wie nach Hause zu kommen. Die verkrampften Hände und Herzen lösen. Die Tränen laufen lassen.
Gott ist wie eine Klagemauer. Einmal wird Gott unsere Tränen abtrocknen. Schon jetzt dürfen wir Gott alles sagen. Und vor Gott sein, wie wir sind. Uns ausweinen. Gottes gute heilige Geistkraft trocknet unsere Tränen – schon heute. Und wer weiß, vielleicht werden uns auch rote Rosen regnen. Rosen der Liebe. So wie im Chanson:
„Für dich soll’s rote Rosen regnen. Dir sollten sämtliche Wunder begegnen. Die Welt sollte sich umgestalten und ihre Sorgen für sich behalten. Für dich soll’s rote Rosen regnen. Dir sollten sämtliche Wunder begegnen. Das Glück sollte sich sanft verhalten, es soll dein Schicksal mit Liebe verwalten. Für dich soll’s rote Rosen regnen. Dir sollten ganz neue Wunder begegnen. Dich fern vom alten neu entfalten, von dem, was erwartet, das meiste halten.„